Leitbild

Familienleben und Erziehung gestalten sich unter heutigen gesellschaftlichen Bedingungen als Herausforderungen, denen sich immer mehr Menschen, ob mit oder ohne Migrationserfahrung, ohne Unterstützung kaum mehr gewachsen fühlen.

Das Konzept von Familien Welten basiert auf dem Grundgedanken, dass Migrationserfahrungen sowohl die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe, als auch das Zusammenleben in migrationserfahrenen Familien beeinflussen. Es lässt sich beobachten, dass weder die sozialen und sprachlichen Kompetenzen, die Familien und Individuen im Zusammenhang mit Migrationserfahrungen erwerben, noch die fachlichen Qualifikationen, die sie aus dem Herkunftsland mitbringen, in ausreichendem Maße als solche wahrgenommen, geschweige denn gefördert werden. Vielmehr wird Migration tendenziell eher mit Defiziten - wie mangelnden Deutschkenntnissen, sowie mit sozialen Problemen - wie etwa Anpassungsschwierigkeiten oder Kulturkonflikten assoziiert. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einem weitaus höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind. Alarmieren muss zudem die zu beobachtende Tendenz, dass sich diese - migrationserfahrene Menschen diskriminierende - Färbung sozialer Ungleichheit zunehmend verschärft statt nivelliert. Wir nutzen unsere fachlichen Kenntnisse über Migration und unsere Erfahrungen als Migrationserfahrene in der Jugendhilfe, um die Einflüsse von Migration auf familiäre Lebenslagen im Allgemeinen und soziale Notlagen bzw. Unterversorgungslagen im Besonderen zu erkennen und migrationserfahrene Familien bei der Bewältigung ihres Alltags und ihres Erziehungsauftrages angemessen zu unterstützen.

Unsere methodologische Grundhaltung ist kultur-reflexiv, d.h. wir gehen davon aus, dass alle Familien im Zusammenleben je eigene kulturelle Muster entwickelt haben, die für den/die sozialpädagogische/n Begleiter/in zunächst fremd sind und zwar unabhängig des ethnischen Hintergrundes der Familie bzw. davon, ob sie Migrationserfahrungen aufweist oder nicht. Die Bedeutung ethnisch-kultureller Muster und Wertvorstellungen kann dabei ein Aspekt sein, der insbesondere zwischen den Generationen einer Familie Konflikte begründet; in einem solchen Fall kann die sozialpädagogische Fachkraft dazu beitragen, einen innerfamiliären „interkulturellen“ Dialog anzustoßen. Wir gehen aber grundsätzlich davon aus, dass familiäre Probleme meist durch soziale Notlagen hervorgerufen werden, die es zu erkennen und zu beseitigen gilt, um die Hilfesuchenden mittelfristig in die Lage zu versetzen, ihren Versorgungs- und Erziehungsauftrag aus eigener Kraft und mit eigenen Ressourcen zu erfüllen. Statt also vorschnell familiäre Probleme zu kulturalisieren, fragen wir vor allem nach den rechtlichen, sozialen, ökonomischen und politischen Folgen von Migrationserfahrungen und wie diese in Zusammenhang mit familiären Problemen stehen.

Unser Ansatz ist ressourcen- und lösungsorientiert, d.h. wir nehmen an, dass jedes familiäre System über Ressourcen und Kompetenzen verfügt, die es zu aktivieren und fördern gilt, um diese gezielt beim Abbau von Problemlagen einzusetzen. Bei migrationserfahrenen Familien ist ein wertschätzender, achtender Blick auf die Kompetenzen und Stärken des Systems und der Einzelnen besonders wichtig, um der Erfahrung, als „Migrant/in“ als defizitär und tendenziell problematisch wahrgenommen zu werden, entgegen zu wirken. Wir sehen unsere sozialpädagogische Arbeit in einem übergreifenden politischen Zusammenhang gesellschaftlicher Integration und wollen dazu beitragen, migrationserfahrenen Menschen die selbstverständliche und gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen und die Übernahme an Verantwortung für den gesellschaftlichen Gestaltungsprozess zu erleichtern.

Mit Angeboten muttersprachlicher bzw. zweisprachiger Beratung, Begleitung und sozialtherapeutischer Unterstützung für Hilfesuchende deren erste oder zweite Muttersprache Deutsch, Kurdisch, Italienisch, Albanisch, Romanisch, Russisch oder Türkisch ist, knüpft Familien_Welten an den lebensweltlichen Erfahrungen und den kommunikativen Praktiken der Klient/innen an, die (mehr oder weniger) zweisprachig bzw. sprachlich hybride strukturiert sind. So wird nicht nur die Kommunikation zwischen Fachkraft und Klient/innen erleichtert, sondern auch der Zugang zu den transkulturellen Lebenserfahrungen, dem Leben „dazwischen“, das sich in hybriden Sprachpraktiken ausdrückt und sich kaum in einer monolingualen Sprechweise begreifen lässt. Die zweisprachige Kommunikation zwischen Fachkraft und Leistungsberechtigten ist zudem in besonderem Maße dazu geeignet, die Zusammenarbeit niedrigschwellig anzusetzen, weil die (sozialpädagogische) Fachterminologie i.d.R. nicht in die jeweilige Muttersprache übersetzbar ist, die Fachkraft daher gezwungen ist, die entsprechenden Begriffe alltagssprachlich zu umschreiben. Das schafft die kommunikativen Voraussetzungen für Transparenz und informierte Beteiligung am Hilfeplanverfahren.

Die personelle und sprachliche Vielfalt in unserem Team steht in Relation mit der lokalen Bevölkerungsstruktur und verankert sie in der Jugendhilfelandschaft. Damit wollen wir migrationserfahrenen Familien den Zugang zur ambulanten Jugendhilfe erleichtern.